Von zwei Generälen, einer erfindenden Schauspielerin, Paris, Russland und Berlin
Lieber Philipp,
Seit deinem letzten Brief ist gerade mal eine Woche vergangen, die ich beinahe komplett mit dir verbracht habe. Das war ein richtig gute Besuch mit vielen witzigen Momenten und guten Gesprächen.
Unter anderem fand ich es sehr interessant, wie wir uns darüber unterhalten haben, dass wir gerne unseren Wissensstand über gewisse Themen festhalten würden. Da wir nicht dazu gekommen sind, dass ich dir mehr von meinem Lieblingsmodul dieses Semester Rechnernetze erzählt habe, dachte ich ich kombiniere die beiden Sachen in dem Brief diese Woche. Daher folgt nun eine versprochen unvollständige Zusammenfassung von dem, was ich bei meinem Professor gelernt habe mit detaillierteren Ausführungen der Themen, die ich am interessantesten fand.
Rechnernetze ist ein vertiefendes Modul zu Kommunikationsnetze, das ich letzten Winter gehört habe. Beide beschäftigen sich damit wie Information zwischen elektronischen Geräten ausgetauscht werden kann und in wiefern sich dadurch verschiedene Geräte miteinander verbinden lassen. Heutzutage habe ich dabei natürlich vor alllem gelernt, wie der Datenaustausch im Internet funktioniert.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Netze sich in Schichten aufteilen lassen. Dabei kann Kommunikation zwischen Geräten auf derselben Schicht oder auf untereinander liegenden Schichten passieren. Eine gute Geschichte, um sich das vorzustellen ist folgende: Nehmen wir an eine Professorin in Frankreich möchte sich gerne mit einer Professorin in Russland über eine neue Entdeckung austauschen. Dann schreibt sie einen Brief in Französisch und gibt diesen ihrem Übersetzer. Der Übersetzer übersetzt den Brief auf Englisch und gibt ihn weiter an den Sekretär, der ihn schließlich per Post nach Russland verschickt. Dort kommt er beim russischen Sekretariat an und wird weitergeleitet an den dortigen Übersetzer, der den Inhalt ins Russische überträgt. So erhält die russische Professorin schlussendlich die Nachricht ihrer französischen Kollegin. Auch wenn das der tatsächliche Verlauf der Mitteilung ist, so kommt es den beiden Professorinen doch so vor, als würden sie sich miteinander austauschen. Genauso wie wir beide den Eindruck haben, dass wir zwei miteinander über diese Seite kommunizieren, obwohl ich ja eigentlich nur meinen Text an meinen Computer weitergebe. Es gibt also einen Unterschied zwischen der virtuellen Kommunikation auf derselben Stufe (z. B. zwischen dir und mir, den beiden Professorinnen oder vielleicht auch den Übersetzern, die sich über das Layout abstimmen müssen) und der tatsächliche Kommunikation (z. B. zwischen der Professorin und ihrer Übersetzerin oder mir und der Tastatur). Das erste nennt man auch horizontale Kommunikation und das zweite vertikale. Damit beide Kommunikationen funktionieren, braucht man sogenannte Protokolle (horizontal) und Schnittstellen (vertikal), die eine Art Sprache festlegen um Informationen auszutauschen. So bin ich mir beispielsweise einig mit meiner Tastatur darüber, welcher Buchstabe durch welche Taste repräsentiert wird. Mit dir habe ich mich dafür darauf geeinigt die deutsche Sprache zu verwenden. Hier ist das ganze nochmal gut in einem Bild dargestellt.
Nun, da ich dich mit etwas grundsätzlichem Thema noch nicht vergrault habe, will ich dir ein paar Beispiele zeigen, warum ich dieses Fach so interessant finde.
Zunächst möchte ich dir von einer Idee erzählen, die Hedy Lamarr gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil entwickelt hat. Lamarr, die als starke Gegnerin der Nazis zu den Alliierten auf Seiten der Alliierten stand, beschäftigte sich mit der Stuerung für Torpedos. Das Problem bei Funk ist, dass jeder, der sich in Reichweite deines Empfängers befindet nicht nur deine Nachricht abhören kann, sondern diese ganz einfach stören kann. Zum Beispiel einfach durch das Senden von White Noise. Dann kann natürlich ein Torpedo keine Signale mehr empfangen. Lamarr hat sich um dieser Problematik zu begegnen das sogenannte Frequence Hopping Spread Spectrum (FHSS) ausgedacht. Anstatt die gesamte Nachricht auf einer Frequenz zu senden, wird diese in ganz kleine Teile, Pakete, unterteilt. Jedes von diesen wird dann auf einer anderen Frequenz verschickt. Dabei wechseln die Frequenzen nach einem bestimmten Muster. Wenn Sender und Empfänger immer gleich die Frequenz ändern, dann können sie ohne Probleme miteinander kommunizieren. Jemand anders, der das Muster nicht kennt, kann die Übertragung nur noch schwer stören oder indem er alle Frequenzen belegt und damit die eigene Kommunikation ebenfalls komplett ausschaltet. Der Vorteil, dass die Kommunikation nicht so störanfällig ist, wird in der zivilen Kommunikation ebenfalls eingesetzt um Störungen auf gewissen Frquenzen nicht zu zu großen Störungen in der gesamten Kommunikation werden zu lassen.
Das zweite, was ich dir gerne erzählen möchte, ist das "Hidden Terminal"-Problem. Stell dir vor, es gibt drei Sendestationen in Paris, Hamburg und Berlin. Die französische Station und die in Berlin können in Hamburg gehört werden. Allerdings können in Berlin und Paris nur Nachrichten aus Hamburg empfangen werden. Wenn jetzt Paris an Hamburg eine Nachricht sendet und Berlin im gleichen Moment ebenfalls eine Nachricht auf demselben Kanal sendet, dann stören sich die beiden Nachrichten und Hamburg kann nichts empfangen. Allerdings kann weder Berlin, noch Paris feststellen, dass der andere etwas sendet, da sie dessen Nachrichten ja nicht wahrnehmen können. Um das zu verhindern können sogenannte RTS (Request-to-Send) oder CTS (Clear-to-Send)-Nachrichten eingesetzt werden. Wenn also Paris etwas senden möchte, fragt es per RTS in Hamburg an, ob es gerade passt. Wenn Hamburg gerade nichts anderes empfängt, sender er ein CTS zurück. Dabei gibt er an, wie lange die Übertragung von Paris dauern wird. Da Berlin Nachrichten von Hamburg empfangen kann, sieht die Station dort, dass Hamburg offenbar gerade von einer anderen Station etwas empfangen wird und wartet ab, bis die angegebene Zeit verstrichen ist. Zu dieser Art von Problemen gehört auch die Problematik des Exposed Terminals, die genau wie das Hidden Terminal durch das Protokoll MACAW gelöst werden kann.
Nach diesen beiden Beispielen will ich dir abschließend ganz allgemein einige der Probleme, die beim Austausch von Nachrichten auftreten können nahe bringen. Ähnlich wie mein Professor will ich dir vom Zwei-Generäle-Problem erzählen. Es gibt zwei Generäle, die zur gleichen Armee gehören. Zwischen ihren beiden Lagern befindet sich das Lager der Feinde. Gemeinsam haben sie 600 Männer (jeder je 300) und der Feind hat nur 400. Sie müssen also nur gemeinsam angreifen und sie können gewinnen. Allerdings können sie nur mittels eines Boten kommunizieren, den sie durch das feindliche Lager schicken. Dort kann dieser allerdings mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abgefangen werden und die Nachricht erreicht das andere Lager nicht. Wieder einmal ist Wikipedia zur Stelle und illustriert die Situation hier. Wie können die beiden sich abstimmen? Hier einige Ideen zur Anregung deiner Gedanken. Angenommen General 1 schlägt 12:00 vor. Wenn er keine Antwort erhält, weiß er nicht, ob der Bote abgefangen wurde bevor er das andere Lager erreicht hat oder danach. Soll er also um 12:00 aufkreuzen und ist möglicherweise alleine beim Gegner und unterliegt im Kampf. Mögliche Lösungen findest du hier
Das soll es jetzt erstmal gewesen sein. Mit dem längsten Brief bisher hoffe ich dir ein wenig nahe bringen zu können, warum ich das so interessant finde. Es sind ganz viele kleine Bausteine, die wie Lego miteinander verbunden werden können. Und die meisten Konzepte sind an sich nicht so super kompliziert, aber oft richtig clever. Gemeinsam formen sie dann so etwas Faszinierendes wie das Internet.
Hier noch eine Liste, mit ein paar der Themengebieten, über die ich dieses Semester außerdem etwas gelernt habe:
Ich hoffe du bist noch nicht eingeschlafen.
Offen für Fragen
Julian